Weaponized Incompetence - Wenn Unfähigkeit zur Taktik wird
Fachlich geprüft von
Inês Lopes

Vielleicht kennst du diese Situation: Du bittest deine:n Partner:in, Mitbewohner:in oder Kolleg:in um Hilfe bei einer Aufgabe - sei es den Geschirrspüler einzuräumen, ein Meeting zu protokollieren oder ein Dokument zu sortieren. Statt echter Unterstützung bekommst du halbherzige oder fehlerhafte Ergebnisse. Oft mit dem Hinweis: „Ich kann das nicht so gut wie du“ oder „Du machst das eh besser“.
Was auf den ersten Blick wie ehrliche Selbstkritik klingt, kann in Wahrheit eine Strategie sein, um Verantwortung zu umgehen. Dieses Phänomen hat einen Namen: Weaponized Incompetence, also absichtlich eingesetzte Unfähigkeit.
In diesem Artikel erfährst du, was hinter dem Begriff steckt, wie du das Verhalten erkennst und was du tun kannst, wenn du selbst betroffen bist.
Was ist Weaponized Incompetence?
„Weaponized Incompetence“ beschreibt ein Verhalten, bei dem Menschen absichtlich so tun, als könnten sie eine Aufgabe nicht erledigen oder sie bewusst schlecht ausführen.
Das Ziel dahinter ist klar: Die Verantwortung soll dauerhaft an jemand anderen abgegeben werden.
Typische Beispiele sind:
- Ein:e Partner:in „vergisst“ ständig den Einkauf oder bringt bewusst das Falsche mit.
- Kolleg:innen liefern fehlerhafte Arbeit ab, sodass du am Ende doch alles selbst machst.
- Jemand stellt sich beim Umgang mit Technik absichtlich ungeschickt an („Ich verstehe das nicht, kannst du das übernehmen?“).
Dieses Muster wirkt harmlos, ist aber hoch problematisch. Denn es verschiebt die Last auf eine andere Person, die dadurch mehr Verantwortung, mehr Arbeit und mehr Stress tragen muss.
Warum greifen Menschen zu dieser Taktik?
Die Gründe für Weaponized Incompetence können sehr unterschiedlich sein:
- Bequemlichkeit – unangenehme Aufgaben werden geschickt vermieden.
- Macht und Kontrolle – wer Aufgaben abgibt, sichert sich mehr Freiheit.
- Traditionelle Rollenbilder – besonders in Beziehungen wird Haus- oder Care-Arbeit häufig verschoben.
- Angst vor Kritik – manche Menschen fürchten, nicht gut genug zu sein, und ziehen sich zurück.
- Fehlende Einsicht – Betroffene merken manchmal gar nicht, dass sie anderen dauerhaft Arbeit zuschieben.
Woran erkennst du Weaponized Incompetence?
Nicht jede ungeschickte Handlung ist gleich Taktik. Entscheidend sind wiederkehrende Muster.
Typische Anzeichen sind:
- Wiederholung: Die gleiche Person „kann“ bestimmte Aufgaben nie erledigen.
- Ungleichgewicht: Bestimmte To-dos bleiben immer an dir hängen.
- Ausreden: Statt Lernbereitschaft kommen Sätze wie „Du machst das besser“.
- Verantwortungsschieben: Fehler werden dir in die Schuhe geschoben.
- Abwehr: Jede Rückmeldung wird abgeblockt oder ins Lächerliche gezogen.
Warum ist Weaponized Incompetence so schädlich?
Das Verhalten hat oft ernsthafte Konsequenzen – für dich persönlich, aber auch für Beziehungen und Teams:
- Ungerechte Arbeitsverteilung – du machst dauerhaft mehr.
- Frust und Ärger – du fühlst dich nicht ernst genommen.
- Emotionale Erschöpfung – besonders in engen Beziehungen entsteht Resignation.
- Verstärkung von Ungleichheiten – wenn sich das Verhalten mit Geschlechterrollen oder Hierarchien verbindet.
Langfristig kann Weaponized Incompetence Beziehungen destabilisieren, Teams schwächen und sogar zum Burnout beitragen.
Was kannst du dagegen tun?
1. Bewusstsein schaffen
Erkenne das Muster. Frage dich: Passiert es regelmäßig? Wer trägt die zusätzliche Last?
2. Klare Kommunikation
Sprich das Verhalten offen an:
- „Mir fällt auf, dass du Aufgabe XY oft nicht übernimmst.“
- „Ich möchte, dass wir das fair aufteilen.“
3. Grenzen setzen
Mach deutlich, dass du eine einseitige Belastung nicht länger akzeptierst. Vereinbart klare Verantwortlichkeiten.
4. Unterstützung anbieten, aber nicht alles übernehmen
Unsicherheit kann ein Grund sein. Hilf beim Lernen, aber achte darauf, nicht dauerhaft die Verantwortung zu tragen.
5. Strukturen schaffen
Im Job helfen klare Prozesse, Checklisten oder digitale Tools, damit Aufgaben nicht „vergessen“ werden können.
6. Eigene Belastung ernst nehmen
Wenn dich die Situation dauerhaft stresst, suche dir Unterstützung – sei es durch Freund:innen, Coaching oder professionelle Hilfe.
Ist es immer Absicht?
Nicht jede Form von Inkompetenz ist „weaponized“.
- Echte Inkompetenz geht mit Lernbereitschaft einher: „Zeig es mir, dann probiere ich es selbst.“
- Weaponized Incompetence zeigt Ausweichen und Abwehr: „Ich kann das nicht, mach du es lieber.“
Der Unterschied liegt also in der Haltung – und daran erkennst du, ob es sich um ein Versehen oder eine Taktik handelt.
Abschluss: Verantwortung fair teilen
„Weaponized Incompetence“ ist kein kleiner Tick, sondern ein Verhaltensmuster, das auf Dauer Beziehungen, Teams und die eigene Gesundheit belasten kann.
Wenn du solche Muster erkennst, gilt sie ernst zu nehmen, anzupsrechen und Grenzen zu setzen. Nur durch faire Aufteilung entsteht eine gesunde Basis, ob in Partnerschaften, im Job oder im Alltag.
Zusammenfassung
„Weaponized Incompetence“ bedeutet, Aufgaben absichtlich schlecht oder gar nicht zu erledigen, um Verantwortung abzugeben. Typische Folgen sind ungleiche Belastung, Stress und Frust. Erkennen kannst du es an wiederkehrenden Mustern und Ausreden. Hilfreich sind klare Kommunikation, Grenzen setzen und faire Strukturen.
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